Am Meer
Manchmal muss man einfach ans Meer fahren – diese Aussage habe ich auf einer Postkarte gelesen und stimme voll zu. Die ersten beiden Wochen im September haben wir an der Nordsee verbracht.
Nordsee – das ist Salzgeschmack auf den Lippen, Wind, ein ganz eigener Geruch und Weite; Schöpfung zum Greifen nah. Nordseeluft macht den Kopf frei und erweitert den Horizont. Ebbe und Flut kommen und gehen Tag für Tag und der Mensch kann diesen Rhythmus nicht beeinflussen. Stille und mächtige Naturgewalten liegen für mich nirgends so dicht beeinander wie an der See. Das Meer kann ruhig sein und die Oberfläche spiegelglatt, oder es ist stürmisch und die Wellen nehmen eine beängstigende Größe an. Der Strand und die Küste unterliegen einer ständigen Veränderung. Eben erst gebaute Sandburgen werden von der Flut weggerissen. Das ablaufende Wasser der Ebbe lässt so manches wieder ans Tageslicht kommen, das während der Flut verborgen lag.
Geht es unserer Seele nicht genauso? Träume und Sicherheiten können zerplatzen wie Seifenblasen. Und was lange verdeckt, aber nicht geheilt war, wird wieder freigelegt. Wie einfach wäre es, alles Negative von der Flut wegtragen zu lassen. Aber im Leben wechseln sich gute und schlechte Zeiten nun mal ab wie Ebbe und Flut. Mal stehen wir auf sicherem Boden und es geht uns gut, doch im nächsten Moment kann uns wie durch eine hohe Welle der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Wie gut, zu wissen: da ist einer, der stärker ist als die mächtigsten Wellen.
"Doch mächtiger noch als das Wüten des Meeres, mächtiger als die Wellen am Ufer ist der Herr in der Höhe!" (Psalm 93,4)
Petra D.